Klimawandel schwächt Reisernte in Vietnam, stärkt aber Zusammenhalt
Studie belegt Zusammenhang zwischen Temperaturänderungen in Erntezeit und Vertrauen im Dorf
Berlin/Hanoi, 29. Oktober 2022. Der Klimawandel wirkt sich in Vietnam bereits spürbar aus: Immer mehr Stürme treffen auf die Küsten, Starkregen häuft sich und löst immer öfter Erdrutsche aus, die ganze Häuser, Dörfer und Straßen wegreißen. Außerdem stehen viele vietnamesische Reisbauern unter Druck, weil die Hauptanbaugebiete im Mekong-Delta versalzen und steigende Durchschnittstemperaturen die Ernteerträge schmälern. Allerdings schweißt der Klimawandel mit all seinen Folgen die die ländlichen Haushalte und Gemeinden in Vietnam auch stärker zusammen, wie nun einer Studie von Professorin Adelaide Baronchelli von der Universität Turin ergeben hat. Demnach deutet vieles darauf hin, „dass Schwankungen der Mindesttemperatur im Schlüsselmonat der Reisanbausaison zu einem Anstieg des sozialen Zusammenhalts in vietnamesischen Gemeinden führen“.
„Wenn Menschen weniger zu essen haben, beginnen sie, sich mehr zu helfen“
Die Ökonomin hatte eigentlich mit einem anderen Ergebnis gerechnet: „Meiner Meinung nach hätte der Rückgang des Reises das soziale Kapital der vietnamesischen Gemeinden stören müssen“, erklärte sie. Sie änderte jedoch ihre Meinung, als sie sich frühere Untersuchungen ansah, die erneut bestätigten, dass raue Umweltbedingungen zu mehr Vertrauen führen: „Wenn die Menschen weniger Reis zu verkaufen oder zu essen haben, beginnen sie wahrscheinlich, sich gegenseitig mehr zu helfen.“
Mehrjährige Wetterdaten mit Umfragebefunden verglichen
Für ihre Untersuchung hatte die italienische Wirtschaftswissenschaftlerin Daten über Temperaturverläufe und Niederschläge mit den Befunden aus den Antworten auf den „Vietnam Access to Resources Household Survey“ verglichen. Dabei werden alle zwei Jahre Informationen über ländliche Haushalte im ganzen Land sammelt. Zwischen 2008 und 2014 wurden die Menschen in der Umfrage beispielsweise gefragt, ob sie Sätzen wie „ In dieser Gemeinde muss man vorsichtig sein, es gibt Menschen, denen man nicht vertrauen kann “ zustimmen. Dabei fand Adelaide Baronchelli deutliche Hinweise darauf, dass die wachsenden Probleme in der Haupterntezeit die Menschen in den Dörfern dazu bringen, enger zusammenzuarbeiten und einander mehr zu vertrauen. Gerade der Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft in den größeren Familienverbänden auf dem Lande ist allerdings in Vietnam seit jeher stark ausgeprägt.
Quellen: DeGruyter, Baronchelli-Studie, Oiger-Archiv
Wissenschaftliche Publikation:
Adelaide Baronchelli: „Temperaturvariabilität und Vertrauen in vietnamesische ländliche Haushalte“, in: „Peace Economics, Peace Science and Public Policy“, DeGruyter-Verlag Berlin, 2022, im Internet im Volltext hier aufrufbar: https://doi.org/10.1515/peps- 2022-0020