Nach dem Regen kamen die Stürme

Nach dem Regen kamen die Stürme

November 1, 2020 Aus Von Heiko
Auch menschliche Eingriffe in die Natur - hier im Foto eine Staumauer in Da Lat - haben womöglich zu Ausmaß der jüngsten Katastrophe in Zentralvietnam beigetragen. Foto: Heiko Weckbrodt

Auch menschliche Eingriffe in die Natur – hier im Foto eine Staumauer in Da Lat – haben womöglich zu Ausmaß der jüngsten Katastrophe in Zentralvietnam beigetragen. Foto: Heiko Weckbrodt

Naturgewalten machen Millionen Menschen in Zentralvietnam das Leben schwer

Hue/Quang Tri, 1. November 2020. Die Naturgewalten lassen den Menschen in Zentralvietnam in diesem Jahr keine Atempause: Eine Serie von Starkregen, Erdrutschen und Stürmen haben mindestens 1,3 Millionen Menschen aus ihren Häusern vertrieben, ihr Land verwüstet und die Ernte vernichtet.

Genaue Opferzahl noch unklar, viele Bauern verlieren Existenzgrundlage

Wahrscheinlich haben dabei Hunderte Menschen ihr Leben verloren – so genau weiß das noch keiner, da viele Bewohner abgelegener Dörfer in den Provinzen rund um die alte Kaiserstadt Hue seit Tagen vermisst werden. Zudem haben viele Bauern ihr ganzes Vieh verloren: „Ich hatte Hühner, Kühe, Büffel, das war mein Lebenskapital, mit dem ich meine Familie ernährt habe und mit dem ich meine Kinder eine höhere Schule bezahlen wollte“, zitierte das vietnamesische Staatsfernsehen einen der betroffenen Bauern. „Nun sind sie alle ertrunken oder fort.“

Welle der Hilfsbereitschaft

Zugleich hat aber eine große Welle der Hilfsbereitschaft das ganze Land und auch die zahlreichen Auslands-Vietnamesen ergriffen – selbst Arme spenden Geld für die Menschen in Zentralvietnam. Zugleich sind Soldaten und zivile Katastrophenhelfer weiter damit beschäftigt, abgeschnittene Dörfer mit Reis und Trockennahrung zu versorgen, die zahlreichen verschütteten Straßen dorthin wieder freizuräumen – und in den Schlammmassen nach weiteren Toten zu suchen. Die kommunistische Führung in Hanoi hat Teile der Reis–Staatsreserve freigegeben, um die Dörfer zu versorgen,

Auch menschliches Handeln trägt Mitschuld an der Katastrophe

Regierungsvertreter haben inzwischen eingeräumt, dass neben ungünstigen geologischen Verhältnissen – viele der besonders betroffenen Regionen liegen in bergigen Abschnitten mit Lehmhängen – auch menschliche Eingriffe für die Katastrophe mitverantwortlich sein könnten: Der Bau mehrere Wasserkraftwerke in der Gegend könne womöglich beigetragen haben. Die Regierung steckt dabei in einem Dilemma: Einerseits wächst mit der Wirtschaft und Bevölkerung auch der Energiehunger in Vietnam – und den möchte die Regierng in Hanoi auch aus regenerativen Quellen wie eben Wasserkraft decken. Andererseits aber haben Talsperren und andere bauliche Eingriffe eben offensichtlich unbeabsichtigte Nebenfolgen.

Stürme und Starkregen dieses Jahr besonders intensiv

Vietnam, vor allem aber die Küstenregionen in der Mitte und des Nordens, werden jedes Jahr durch mindestens ein halbes Dutzend Stürme vom Meer her heimgesucht. Hinzu kommen in der tropischen Südhälfte die Wassermengen der Regenzeit. In diesem Jahr waren es aber besonders viele Stürme und Tiefs, die vor allem in Südvietnam enorme Zerstörungen binnen zwei, drei Wochen angerichtet haben. Die Regierung macht dafür unter anderem auch den Klimawandel mitverantwortlich. Ein Teil der Wahrheit ist aber auch, dass die Vietnamesen selbst zum Beispiel an den Küsten stabilisierende Mangrovenwälder abgeholzt haben, Müll achtlos in die Natur werfen, der dann bei Starkregen Abflüsse verstopfen kann und dergleichen mehr.

Auch eine Kriegsspätfolge: Wo keine Bäume wachsen, kann Boden Halt verlieren

Hinzu kommen die Spätfolgen des Chemiewaffeneinsatz der USA gegen Vietnam: Die amerikanischen Kampfflugzeuge versprühten damals massenhaft das Gift „Agent Orange“, um dem Vietkong die Deckung der Wälder zu nehmen. Dies hat nicht nur zu dramatischen Krankheiten und Missbildungen über Generationen hinweg bei den Menschen geführt, sondern auch große Teile der einst so gewaltigen Wälder von Vietnam auf Jahrzehnte vernichtet und unfruchtbaren Boden hinterlassen. Und wo Bäume keine Wurzeln schlagen, da fehlt oft auch dem Boden die Stabilität, um bei Starkregen nicht ins Rutschen zu kommen.

Und dass die Menschen in Quang Tri und den anderen Provinzen der zentralvietnamesischen Küstenregion nahe Hue und Da Nang bald zur Ruhe kommen, ist nicht absehbar: Der Wetterdienst hat schon wieder starken Regen angesagt – und Strum Nummer 10 für dieses Jahr.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: VTV News, Oiger-Archiv, vertrauliche Quellen