Vietnam verschärft Anti-Corona-Kurs
Vor allem in Saigon ist die Lage angespannt
Ho-Chi-Minh-Stadt, 27. Juli 2021. Angesichts weiter steigender Infektionszahlen verschärft die vietnamesische Regierung den Anti-Corona-Kurs im Land: In vielen Städten und Provinzen haben die Volkskomitees auf Weisung aus Hanoi das öffentliche Leben heruntergefahren, soziale Distanzierung angeordnet, an einigen Orten gelten auch absolute Ausgangssperren.
Lockdown für 16 weitere Provinzen im Mekong-Delta
Seit Beginn der Regenzeit hat sich der Schwerpunkt der Infektionen vom Raum Hanoi im Norden nun auf den Süden verlagert: Die Metropole Ho-Chi-Minh-Stadt – alias Saigon – gilt jetzt als größter Virenherd im Lande. Zudem hatte die Regierung erst kürzlich in 16 weiteren Provinzen des Mekong-Deltas ganz im Süden Lockdowns angeordnet. Aber auch in Hanoi verschärft sich die Lage wieder. Ähnlich wie in Saigon fahren in der Hauptstadt keine Busse, Taxis und Bahnen mehr. Normale Kliniken werden vielerorts in Corona-Intensivkrankenhäuser umgewandelt, außerdem baut die Armee Feldlazarette auf.
Das ganze Land versucht, die Versorgung der Megacity Ho-Chi-Minh-Stadt mit Essen und Ärzten zu sichern
Vor allem in der Neun-Millionen-Stadt Saigon ist die Lage angespannt: Im Vergleich zum sonst wilden Getümmel auf den Straßen wirkt die Megacity wie ausgestorben. Nur noch Supermärkte und wenige Frischemärkte sind geöffnet, vor denen sich teils lange Schlangen bilden. Die Versorgung mit frischen Gemüse und anderen Lebensmitteln ist dem Vernehmen nach schwierig geworden. In manchen Vierteln und Quarantäne-Häusern sind die Bewohner auf mobile Lieferanten angewiesen, die teils staatlich, teils privatwirtschaftlich, teils nachbarschaftlich organisiert sind. Dem Vernehmen nach gehen Bauern im ganzen Land zu Zusatzschichten auf die Felder, um die Lebensmittelversorgung von Saigon irgendwie zu sichern – trotz aller Nord-Süd-Animositäten im Lande. Für den Transport werden teilweise Kastenwagen von „Pick-up“-Clubs, Taxis, die jetzt ohnehin keine Passagiere befördern dürfen, sowie Flugzeuge der weitgehend stillgelegten staatlichen Fluggesellschaft eingesetzt.
Hohe Strafen für Quarantäneverstöße, „Fake News“ und andere Corona-Delikte
An vielen Stellen haben Polizei und Hilfskräfte Straßensperren aufgebaut, die kontrollieren, dass die Menschen nur für allernotwendigste Lebensmittel-Einkäufe und dringende Arztbesuche ihre Häuser verlassen. Für Verstöße drohen hohe Geldstrafen.
Zudem hat die Regierung erst gestern die Strafen für andere Corona-Delikte verschärft: Wer aus der Quarantäne flieht, sogenannte „Fake News“ über den Corona-Kurs der Regierung auf erzählt oder Lebensmittel hortet, muss mit hohen Geldstrafen, in einigen Fällen sogar mit bis zu 20 Jahren Gefängnis rechnen.
Vietnam war lange Zeit gut durch die Pandemie gesegelt
Anders als die Regierungen in Deutschland und anderen westlichen Staaten will die kommunistische Führung in Vietnam nicht „Wellen brechen“ und Infektionen auf einem beherrschbarem Niveau zu halten, sondern verfolgt dabei – wie schon seit Beginn der Pandemie – eine Inzidenz-0-Politik. Bisher ist das Land auch noch relativ gelinde durch die Seuche gelangt: Seit dem ersten Ausbruch im Nachbarland China registrierte Vietnam erst 109.000 Infektionen und 524 Tote. Der jüngste Ausbruch, der womöglich durch illegale Grenzgänger eingeschleppt wurde, stellt aber alle bisherigen Wellen im Norden und in Da Nang bei weitem: Laut den Statistiken der „Johns Hopkins“-Uni kommt Vietnam mittlerweile auf täglich über 7000 Infektionen und gerät damit in Bereiche wie die westlichen Industrieländer. Allerdings ist Vietnams Gesundheitssystem nicht so leistungsstark wie etwa das deutsche. Derzeit sind Tausende Ärzte und Krankenschwestern aus dem ganzen Land zu „Feuerwehr“-Einsätzen in Saigon und an anderen Hotspots im Einsatz, um die Lange dort im Griff zu behalten.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: u. a. VTV News, Johns Hopkins University