Sachsen und Vietnam testen Reismatten gegen Umweltzerstörung

Sachsen und Vietnam testen Reismatten gegen Umweltzerstörung

November 10, 2020 Aus Von Heiko
Das BioMatUse-Produktportfolio: Fasermatten, Bodenverbesserungsstoffe und geformte Aktivkohlen. Foto: TU Bergakademie Freiberg

Das BioMatUse-Produktportfolio: Fasermatten, Bodenverbesserungsstoffe und geformte Aktivkohlen. Foto: TU Bergakademie Freiberg

Reste von Zuckerrohr- und Reisernte sollen Bodenerosion schützen und Felder aufwerten

Freiberg/Thanh Hóa, 10. November 2020. Reis- und Zuckerrohr-Reste sollen künftig helfen, die Bodenzerstörung in Vietnam zu stoppen, Felder zu düngen und Wasser zu reinigen. Darauf zielt ein gemeinsames Forschungsprojekt von sächsischen und vietnamesischen Forscherinnen und Forschern, über das heute die Bergakademie Freiberg informiert hat.

Freilandversuche in der Provinz Thanh Hoa

Nach kleineren Tests in Freiberg sind nun auch bereits die ersten Erosionsschutzmatten aus Reis- und Zuckerrohrresten in der nordvietnamesischen Provinz Thanh Hoa im Freiland-Test ausgelegt, berichtet das deutsche Projektteam um Dr. Volker Herdegen und Doktorandin Katja Schaldach vom Institut für Thermische Verfahrenstechnik. Sät man auf und unter den Naturfasermatten neue Pflanzen, bilden deren Wurzeln ein unterirdisches Netzwerk, das den Boden langfristig stabilisiert. Die Matten selbst zerfallen – als beabsichtigter Effekt – von selbst.

Dank Reismatten können Pflanzen stabilisierendes Wurzelnetz bilden

„Die neu entwickelten Erosionsschutzmatten aus den Fasern von Reis- und Zuckerrohrpflanzen eignen sich sehr gut zur Vermeidung des Oberflächenabtrags durch Regen und Wind“, betonte Dr. Volker Herdegen. „Die Agrar-Reststoffe könnten bisher verwendete Kokosfasern für den Einsatz in Matten komplett ersetzen“, ergänzt Katja Schaldach. Denn die Reis-Zucker-Matten zerfallen bereits nach ein bis anderthalb Jahren, während eine Kokosfasermatte dafür drei Jahre braucht.

Erklärvideo zum
Projekt "BioMatUse"
(Video: Bioökonomie.de)

Erosion durch Wasser und Wind in Vietnam ein Dauerthema

Hintergrund: In Vietnam und vielen anderen tropennahen Ländern richtet jedes Jahr Tropenstürme, Regenzeiten und Erdrutsche enorme Schäden an. Und speziell an der Küste tragen die Taifune oft auch viel Uferland ab und lassen ganze Dörfer untergehen. Einer von mehreren Gründen für die Bodenerosion ist der Wald-Raubbau von Anwohnern und Holzunternehmen: Wo keine Bäume mehr wachsen, können sie auch die Böden nicht mehr mit ihren Wurzeln stabilisieren. Mit biologischen Bodenmatten unterstützte Neuanpflanzungen sollen dies nun vielerorts revidieren.

Neue Geschäftsmodelle durch Erntereste-Verwertung absehbar

Für die Reis- und Zuckerbauern in Vietnam und anderen Ländern wäre eine darauf ausgerichtete Biomatten-Großproduktion ein lukrativer Nebenerwerb beziehungsweise dies könnte in den Provinzen auch für neue Jobs sorgen: „Allein in Vietnam fallen bis zu 75 Millionen Tonnen organische Reststoffe aus der Produktion von Lebensmitteln, wie Reis und Zucker aber auch Kaffee pro Jahr an“, berichtet die Bergakademie und stützt sich dabei auf eine „Zielmarktanalyse Vietnam“ des Bundeswirtschaftsministeriums. „In der Praxis werden die Reststoffe heute zumeist verbrannt oder auf Deponien gelagert. Das Potenzial ist riesig.“

Auch Kohlefilter und Düngerdepots aus Reis- und Zuckerresten herstellbar

Und die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in Freiberg testen schon die nächste Verwertungsstufe für vietnamesische Erntereste im Labor: Im Projekt „BioMatUse“ zerkleinerten Verfahrenstechnikerinnen die Biomasse und pressten sie zu Pellets. Und die eignen sich dann als Depotdünger für die Landwirtschaft. Zudem lassen sich die Pellets noch weiter verarbeiten, erzählt Doktorandin Katja Schaldach: Sie erhitzte die Pellets in sauerstofffreien Reaktoren und durch diesen „Pyrolyse“-Prozess entstand dann Aktivkohle. Und die lässt sich wiederum als Schadstofffilter für Wasser und Luft einsetzen. Auch hier hat Vietnam einen besonderen Bedarf. Denn sowohl die Wirtschaft wie auch die Bevölkerung im Land wachsen rasch und die Wasserqualität in den Städten ist viel zu niedrig.

Länderübergreifende Kooperation soll mit Projektabschluss nicht enden

Derzeit arbeiten die Projektpartner daran, die Pelletierung und die Pyrolyse weiter zu vereinfachen und vom Labor- und die Großserienmaßstab zu überführen. Das Zwei-Länder-Projekt gilt zwar inzwischen als offiziell abgeschlossen. Dennoch wollen die Partner weiter zusammenarbeiten. „Im Hinblick auf alle drei Verwertungswege stehen wir auch nach dem offiziellen Abschluss des Forschungsprojekts weiterhin in Kontakt mit den Forscherinnen unserer vietnamesischen Projektpartner und wollen das Verfahrenskonzept gemeinsam optimieren“, betonte Dr. Volker Herdegen. Beteiligt waren und sind neben der Bergakademie Freiberg die Vietnam Academy of Agricultural Sciences, die Hanoi University of Science and Technology sowie der Zuckerhersteller Lam Son Sugar (Lasuco) aus Thanh Hoa und die deutschen Wirtschaftspartner „Internationale Geotextil GmbH“ aus Schmallenberg und Twistringen sowie die „Gebrüder Jehmlich GmbH“ in Nossen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Bergakademie Freiberg, BMWi, Oiger-Archiv

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