Corona: Vietnam bittet EU um Impfstoff
Wegen überfüllter Krankenhäuser geht Saigon teilweise auf mobile Sauerstoffversorgung für Corona-Patienten über
HCM/Hanoi, 20. August 2021. Angesichts der dramatischen Corona-Entwicklung in Vietnam hat der kommunistische Staatspräsident Nguyễn Xuân Phúc nun ausdrücklich die EU um Hilfe bei der Impfstoff-Beschaffung für das südostasiatische Land gebeten. Die EU hatte zwar bereits 2,4 Millionen Dosen für Vietnam organisiert und vor allem über das „Covax“-Programm verteilt. Doch bis heute hat nur etwa ein Zehntel der rund 100 Millionen Vietnamesen vollständigen Impfschutz bekommen. Auch technologische Unterstützung und Medizintechnik für den Kampf gegen Covid19 wäre für das Land eine große Hilfe, betonte Nguyễn Xuân Phúc in seinem Brief an die EU.
Dramatische Lage in der Südmetropole
Wie dramatisch die Lage ist, ist derzeit vor allem im Süden zu sehen: Die neue Corona-Welle trifft Vietnam derzeit so stark, dass vielerorts die Krankenhäuser an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Das gilt ganz besonders für die südliche Metropole Ho-Chi-Minh-Stadt (HCM), in denen selbst die eilends eingerichteten Feldlazarette und Ersatz-Intensivstationen stark mit Covid19-Patienten gefüllt sind. Daher geht man dort inzwischen zu mobilen Lösungen über.
Fernbehandlung per Telemedizin-App
Einerseits haben vietnamesische Programmierer Apps und Telemedizin-Systeme entwickelt, über die leichter Erkrankte (und Verdachtsfälle) einen Videokontakt zu Corona-Ärzten aufnehmen können. Die Mediziner beraten die Patienten beispielsweise dann, was sie tun können, um die Symptome zu lindern.
Mopedfahrer bringen Sauerstoffflaschen in die Häuser
Andererseits ist die Lage in HCM inzwischen anscheinend so angespannt, dass selbst manche Patienten mit ernsten Symptomen zu Hause bleiben. Deshalb fahren nun Mopedfahrer durch die Stadt, liefern damit Sauerstoffflaschen an Kranke aus, holen sie auch wieder ab, um sie dann nachzufüllen. Auch kleine Not-Corona-Stationen wurden in den Stadteilen eingerichtet, um eine Erstversorgung von ernsthaft Erkrankten in Wohnortnähe zu ermöglichen. Diese provisorischen Intensivstationen sollen eine Art Pufferfunktionen zwischen Stadtbezirken und den überfüllten spezialierten Corona-Krankenhäusern bilden.
Bereits zuvor hatten Nachbarschaftsgruppen, Volkskomitees und andere Akteure eine mobile Essensbelieferung für Haushalte organisiert, die unter Quarantäne stehen. Allerdings gibt es sehr widersprüchliche Betrichte darüber, wie gut oder schlecht die Nahrungsmittelversorgung in der Zehn-Millionen-Metropole tatsächlich funktioniert.
Vietnams größte Stadt weitgehend abgeriegelt
Zur Erinnerung: Angesichts explodierender Infektionszahlen stehen große Teile von HCM derzeit unter der „Direktive 16“ des Premierministers, was auf strenge Ausgangssperren, die Abriegelung ganzer Häuserblocks, Straßensperren und weitgehende Geschäftsschließungen hinausläuft. Seit 1. August dürfen zudem kaum noch Menschen die Stadt verlassen. Kurz davor hatten sich Tausende Gastarbeiter in langen Moped-Schwärmen noch eilends auf die tagelange Reise in ihre Heimatprovinzen gemacht. Außerdem hatten die Behörden kürzlich mindestens einen Sonderzug gen Norden fahren lassen, mit dem Mütter mit Kindern und Greise aus dem ehemaligen Saigon fliehen durften.
Unterdessen hat Premier Nguyễn Xuân Phúc (KP) in Hanoi alle Provinzen um Hilfe für HCM und die südlichen Provinzen gebeten. Vor allem Ärzte und Krankenschwestern würden dort dringend gebraucht.
Infektionszahlen gehen durch die Decke
Vietnam war zunächst recht erfolgreich durch die Corona-Pandemie gelangt, vermeldete nur wenige Hundert Infizierte und kaum Tote. Doch seit Ende Mai – also etwa zum Beginn der Regenzeit im Süden – sind die Infektionszahlen plötzlich durch die Decke geschossen. Inzwischen zählt das Land fast 60.000 Neuinfektionen und über 2000 Tote pro Woche. Tendenz: stark steigend.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: VTV News, Johns Hopkins University, weitere Quellen